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New Adult Coverbild für Blogbeitrag

Zwischen Spice und Shakespeare – Hat New Adult Platz im Englischunterricht?

Inhalt

Was bedeutet New Adult?

„Junge Menschen lesen nicht mehr“ – diese Aussage hält sich hartnäckig, ist aber längst überholt. Die Altersgruppe der 12- bis 29-Jährigen liest sogar zunehmend, und das gedruckte Buch erlebt ein echtes Comeback.

Ein zentrales Genre dieser Bewegung ist New Adult – streng genommen keine literarische Gattung, sondern eher eine Marktbezeichnung, die sich auf die Zielgruppe bezieht. Der Begriff wurde 2009 durch den New Yorker Verlag St. Martin’s Press geprägt, als man nach einem Label für Belletristik suchte, deren Protagonist/innen etwas älter sind als in der klassischen Young-Adult-Literatur. Das Ziel: ein erwachseneres Publikum ansprechen – mit Geschichten rund um die Lebensrealität junger Erwachsener.

Inhaltlich dominieren die Themen Romance und Romantasy, also Liebesgeschichten oder eine Mischung aus Liebe und Fantasy. Besonders junge Frauen entdecken diese Bücher als Hobby – und feiern es: Sie besuchen Lesungen, sammeln Special Editions und tauschen sich begeistert in den sozialen Medien aus. Dabei sind die Bücher weitaus mehr als schlichte Taschenbuchausgaben. Die Ausstattung ist oft hochwertig und liebevoll gestaltet – mit Extras wie Farbschnitte (bunte Seitenränder mit Motiven, s. Foto), Cover mit Glitzer und Handlettering, Character Cards oder Schmuck-Einlagen. Bücher werden zu emotional bedeutsamen Objekten – und echten Sammlerstücken.

New Adult_Bücher mit Farbschnitt an der Seite

Typische Inhalte und Themen von New Adult

Die Geschichten folgen oft bestimmten Mustern: enemies to lovers oder bad boy meets good girl – Kritiker bemängeln die inhaltliche Austauschbarkeit und Gleichförmigkeit. Doch das Genre bietet Jugendlichen weit mehr als stereotype Romanzen. Freundschaft, Liebe, Identitätssuche, persönliche Entwicklung und Selbstfindung sind zentrale Themen, die altersgemäß und emotional aufgeladen erzählt werden.

Ein wichtiger Aspekt ist Eskapismus – die bewusste Flucht aus dem Alltag und ein bekanntes und wichtiges Motiv literarischer und medialer Nutzung generell. Zunehmend finden sich auch queere Charaktere, diverse Liebeskonstellationen oder Gothic-Elemente, die für inhaltliche Erweiterung sorgen.

Die Schauplätze variieren: Von altehrwürdigen Colleges über Sportklubs und Großstädte bis zu Fantasy-Versionen von Wales oder Schottland. Letzteres sorgt mitunter für Kritik – etwa wenn klischeebeladene Darstellungen eine mystisch-romantische, aber realitätsferne Version dieser Länder zeichnen.

Der Spiciness-Faktor in New Adult

Ein heikler Punkt im New-Adult-Genre ist die Darstellung von Sexualität. Erotik spielt durchaus eine Rolle – nicht in jedem Buch, aber oft. Problematisch ist dabei, dass sich die Abgrenzung zur jugendlichen Zielgruppe häufig schwierig gestaltet. Während Young Adult für Leser/innen ab 14 Jahren gedacht ist, sind viele New-Adult-Bücher deutlich expliziter – und derzeit gibt es keine einheitliche Regelung wie eine Altersfreigabe bei Filmen durch die FSK.

Verlage nutzen deshalb eigene Lösungen wie Altersangaben, „Chili-Skalen“ oder Triggerwarnungen auf dem Cover. Auch Communities auf BookTok, Goodreads oder Instagram helfen bei der Orientierung.

Doch nicht nur explizite Szenen sind Gegenstand der Kritik – auch das dargestellte Frauenbild wird kontrovers diskutiert. Viele Heldinnen agieren zwar selbstbewusst und unabhängig, doch stereotype Rollenmuster sind weiterhin verbreitet.

Darstellung des spice factors bei New Adult

Warum ist New Adult so erfolgreich?

Obwohl das Feuilleton New Adult meist ignoriert und als Trivialliteratur betrachtet, hat das Genre seine Bühne gefunden – in den sozialen Medien. Bookfluencer auf TikTok (#BookTok), Instagram und YouTube haben riesige Communities, die sich mit Begeisterung austauschen. Auch Autor/innen treten selbst als Influencer auf, zeigen ihr Privatleben, sprechen über Schreibprozesse und stärken so die emotionale Bindung zu ihren Leserinnen. Zahlreiche New-Adult-Autor/innen wurden zunächst nicht von klassischen Verlagen vertreten und wären ohne Social Media kaum bekannt geworden. Die US-amerikanische Romantasy-Autorin Frankie Diane Mallis bringt es auf den Punkt: „We’ve all been hungry for these kinds of books, and now finally have the means to write them freely, and with social media, we can get them directly into the hands of our readers.“(1)

Diese emotionale Nähe erklärt den großen Erfolg – das Genre lebt vom direkten Austausch und einer treuen Fangemeinschaft.

New Adult im Buchmarkt – ein großes Thema

Die Buchbranche reagiert deutlich: Immer mehr Verlage gründen eigene New Adult-Sparten – etwa Lyx bei Bastei Lübbe, Kyss bei Rowohlt oder Everlove bei Piper. Selbst der auf Ratgeber spezialisierte Verlag Gräfe & Unzer bringt nun New-Adult-Romane mit Lebenshilfe-Ansätzen heraus.

Auf den Buchmessen ist die Begeisterung ebenfalls sichtbar: 2024 widmete die Frankfurter Buchmesse erstmals eine ganze Halle dem Genre. Bei der Leipziger Buchmesse bilden sich seit Jahren lange Schlangen bei den Autogrammstunden im New-Adult-Bereich und die Autor/innen werden gefeiert wie Popstars. Buchhandlungen machen zunehmend Platz für New-Adult-Bücher und passen sich dem Interesse ihrer Kundinnen an. 

Das Genre bringt jungen Menschen wieder zum Buch – auch auf Englisch. Viele lesen die Originalausgaben, weil deutsche Übersetzungen zu lange nach dem Erscheinen der englischen Ausgabe auf sich warten lassen. Ein klarer Pluspunkt für den Englischunterricht. Oder?

Foto: Zu Besuch bei der Leipziger Buchmesse 2025

New Adult_Leipziger Buchmesse bei New Adult

New Adult im Unterricht – (k)ein Thema?

Wie gehen Sie als Lehrkräfte mit diesem Phänomen um? Ignorieren – wie das Feuilleton? Oder nutzen Sie das Potenzial?

Zugegeben: New-Adult-Romane folgen meist klassischen Erzählschemata. Ein literarischer Anspruch, Perspektivwechsel, literarästhetische Aspekte, Einblicke in andere udn vor allem authentische Kulturen und die vielfältigen Themen der englischsprachigen Welt stehen nicht im Vordergrund. Aber: Die Schüler/innen lesen diese Bücher freiwillig – und mit Begeisterung. Sollten wir nicht genau da anknüpfen? Vielleicht könnte man New Adult ab und zu in den Unterricht integrieren, um die Schüler/innen mit ihren Interessen abzuholen? Oder das Genre der klassischen Literatur gegenüberstellen im Sinne von Shakespeare trifft Sarah J. Maas? Was sind die Unterschiede? Gibt es womöglich Gemeinsamkeiten? Im Unterricht könnten kreative Aufgaben rund um New Adult sehr motivierend wirken: BookTok-Projekte entwickeln, Fan-Fiction schreiben, Gender-Rollen diskutieren, Passagen umschreiben, ein alternatives Ende entwerfen, Debatten zu kontroversen Themen u.v.m. Literatur kann mit sehr unterschiedlicher Textgrundlage seine Wirkung entfalten. 

Fazit: Hauptsache lesen!

Bei unseren Besuchen in Buchhandlungen und bei den Buchmessen verfolgen wir das Geschehen sehr genau und könnten uns vorstellen, einen passenden Roman aus diesem Genre zu verlegen. Bisher haben wir allerdings kein New-Adult-Buch gefunden, das sich aus unserer Sicht für den Unterricht eignet. Aber wir bleiben neugierig – und offen.

In jedem Fall lässt sich festhalten: Es ist eine erfreuliche Entwicklung, dass junge Menschen wieder verstärkt lesen – und dabei ganz nebenbei umfangreichen Sprachinput erhalten.

Was denken Sie über New Adult? Kennen Sie geeignete Romane? Haben Sie bereits Erfahrungen mit dem Einsatz von New Adult im Unterricht gemacht?

Schreiben Sie uns gerne Ihre Meinung – entweder unten im Kommentarfeld oder an info@edulit.de.

Literatur

 

Fotos: Elke Lehmann

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